Insa Trenn im Gespräch mit Corinna Onnen, Professorin für Allgemeine Soziologie, Familiensoziologie und Gender Studies an der Universität Vechta und Sprecherin der LAGEN

Porträt Prof. Dr. rer. pol. Corinna Onnen, © Frank Grunwald

IT: Können Sie Ihre aktuelle wissenschaftliche Tätigkeit in zwei bis drei Sätzen skizzieren?

CO: Nein, das geht nicht. (lacht) Ich bin als Soziologin in Fachverbänden und der Lehre aktiv, ferner verbandspolitisch (national/international) und hochschulpolitisch (örtlich, regional, überregional und EU-weit) aktiv sowie eine Forscherin.

IT: Sie sitzen mit Nachbarn am Küchentisch und das Thema  Gender wird angesprochen. Wie erklären Sie Ihren Bezug zum Thema und was er mit Ihrem Beruf zu tun hat?

CO: Wenn, dann muss ich das Thema zu meinen Nachbarn bringen. Ich versuche Alltagsbezüge herzustellen, zum Beispiel über die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Anschließend versuche ich es ins politische Geschehen zu integrieren.

IT: Wenn Sie während Ihrer Arbeit (Forschungen, Publikationen etc.) mit männlichen Kollegen arbeiten, gibt es eine unterschiedliche Herangehensweise?

CO: Nicht für mich sichtbar, aber ich glaube ich bin zu sehr auf Gender programmiert in dieser Thematik, als dass ich das schon gleich berücksichtigen sollte. Ich glaube ich arbeite sowieso nur mit Leuten zusammen, wo ich keine Grundsatzerklärung mehr machen muss.

IT: Mit wem würden Sie Ihre letzte Publikation bzw. Ihr letztes Buch gern diskutieren? Und warum?

CO: Also ich diskutiere meine letzten Publikationen – eigentlich immer alle meine Publikationen – immer einmal auf der fachlichen Ebene, da wo ich die Soziologen zu 'packen' kriege, in der Hoffnung, dass sie mich dort weiterbringen, was Theoriebildung in der Soziologie betrifft und dann suche ich mir gerne auch Kollegen/Kolleginnen, die an Gender arbeiten, also nicht aus meiner Disziplin sein müssen und hoffe meinen Horizont zu erweitern. Das mache ich aber immer so.

IT: Ihre letzte Publikation in einem Satz?

CO: Ich habe ein paar zeitgleich. Einmal über neue Väter, eine über das Abhängen von Hauptschüler_innen in unserem Bildungssystem und einmal Teaching Gender. Also ein Satz: Gender.

IT: Warum stechen Ihre Publikationen aus der Masse hervor?

CO: Glaube ich nicht, dass sie das tun. Vielleicht durch die interdisziplinäre Herangehensweise. Es ist nicht reine Soziologie, es ist nicht reine Theoriebildung, es ist nicht reine Pfennigfuchserei über Methoden, sondern eine Mischung und immer mit einem politischen Ziel.

IT: Welchen Bezug haben Ihre Publikationen zur aktuellen feministischen Forschung bzw. zur Geschlechterforschung/Gender Studies? 

CO: Immer. Sie haben immer einen – ich bin Soziologin – aktuellen Beitrag zu den Debatten. Die neuen Väter zum Beispiel, weil jetzt in der Politik ständig – also ich habe es wahrgenommen am Beispiel der Soldatinnen und der Bundeswehr und solche Geschichten, und dass Ursula von der Leyen immer sagt, wir brauchen neue Väter und vor 20 Jahren gab es moderne Väter und so weiter – und dann habe ich sie mir wissenschaftlich 'vorgeknöpft'.

IT: Was lesen Sie, wenn Sie keine wissenschaftlichen Texte lesen? 

CO: Zwei Sachen. Im Zug und S-Bahn oder wo auch immer ich mich befinde, irgendwelche Romane, Spiegelbestsellerliste, was da angekündigt ist. Wenn ich ein bisschen mehr Zeit habe Literaturklassiker von Buddenbrooks bis Effi Briest. Mich interessieren immer die Familienkonstellationen der Protagonisten.

IT: Welches Buch ist ein solches Kunstwerk, dass Sie es gern gerahmt an die Wand hängen würden? 

CO: Habe ich nicht.

IT: Wer ist Ihr Lieblingsautor/Ihre Lieblingsautorin? Und wieso?

CO: Habe ich auch nicht. Ich habe eine Weile Karin Duve gut gefunden, aber dann habe ich festgestellt, dass ein Buch nach dem anderen doch relativ ähnlich ist.

IT: Für was hätten Sie gern mehr Zeit?

CO: Sport, frische Luft, Bewegung.

IT: Wenn Sie nur einen Koffer hätten, in dem Sie Ihren gesamten Besitz packen dürften, was würden Sie hineinpacken?

CO: Die nötigste Kleidung und das Grundgesetz. Das Grundgesetz, weil es so schön regelt und schlussendlich immer die Basis für unsere Theorien ist.

IT: Wen würden Sie gerne einmal treffen? Und warum?

CO: Ich würde gerne Angela Merkel treffen, weil ich wissen möchte, wie sie das aushält. Dass ihr alle diese stoische Ruhe nachweisen möchten. Also diesen Vorwurf wie sie damit umgeht, sie sei so ruhig, sie mache und tue nichts, sitze so „faul“ in der Ecke, ließe andere entscheiden – das kann ja nicht sein und ist auch nicht so, aber wie hält sie das aus?

IT: Was würden Sie an einem Tag unternehmen, an dem die gesamte technische Infrastruktur und alle technischen Geräte nicht funktionieren würden?

CO: Schön. Laufen. Wahrscheinlich würde ich einen Dreivierteltag brauchen, um es zu begreifen.

IT: Haben Sie für das, was Sie machen, eigentlich Vorbilder – seien es Menschen oder Projekte –, an denen Sie sich orientieren?

CO: Vorbilder habe ich in unseren Theoriebildnern, sowohl in der reinen Soziologie als auch in den Gender Studies, also die Überlegung wie Argumentationen aufgebaut werden und die Vorgehensweisen. Und dann ehemalige Chefinnen, die ich hatte und die mich geärgert haben, genauso wie die, die mich nicht geärgert haben, wo ich sage, das möchte ich machen oder das möchte ich gerade nicht machen. Sowohl positive wie negative Vorbilder. Und in der Familie meine Großmutter, die versucht hat mir beizubringen, dass alles nicht so schlimm ist.

IT: Wenn Sie die Uhr zurückdrehen könnten, würden Sie etwas in Ihrem Leben ändern? 

CO: Nein, gar nichts.

IT: Die Urlaubszeit steht vor der Tür, wohin und warum würden Sie gerne verreisen?

CO: Warum? Also in der Hoffnung, dass ich Abstand kriege, aber der Kopf ist nicht zum Abstand zu bewegen, der ist immer dabei. Und ich bin eine leidenschaftliche Verfechterin von langen Spaziergängen und Bewegung am Wasser. Also ich brauche das Meer aber kein warmes Meer, also Ostsee, Nordsee. Ich würde gerne nach Grönland.

IT: Wenn Sie mit einer weiteren Person gemeinsam forschen sollen, welche Eigenschaften wären Ihnen dabei wichtig?

CO: Pragmatismus und jemand, die oder der nicht jedes Wort auf die Goldwaage legt. Spontanität sollten sie haben.

IT: Sie treffen sich mit anderen Wissenschaftler_innen und haben zwei Stunden freie Zeit. Was würden Sie unternehmen?

CO: Essen gehen und in Ruhe über Arbeit reden und über Gott und die Welt. So machen wir das auch immer in der Scientific Community – auch mit Fremden, es ist egal ob es Frauen oder Männer sind.

IT:  Bitte vollenden Sie die folgenden Sätze!

IT: Ich habe Freude an meinem Beruf, weil …

CO: ... ich mir einbilde, etwas gestalten zu können.

IT: Wissenschaftler_innen sind Menschen …

CO: … die eine besondere Leidenschaft für Dinge haben, die andere nicht haben.

IT: Ich habe Interesse an …

CO: … Menschen.

IT: Die LAGEN ist wichtig, weil ...

CO: … eine Institutionalisierung von Zusammenschlüssen in dieser Thematik unerlässlich ist für politisches Fortkommen.

IT: Ich wünsche der LAGEN, dass …

CO: … sie viele Jahre durchhalten.

IT: Welche Vision haben Sie für die LAGEN?

CO: Ich wünsche mir, dass es der LAGEN gelingt, das Pflänzchen, was jetzt gesät ist, was auf Kommunikation und gegenseitiges Verständnis ausgerichtet ist und das Bemühen darum, Konkurrenzen zu unterdrücken oder nicht übermächtig werden zu lassen, dass sich das fortsetzt, sodass sie wirklich irgendwann etabliert ist so wie der Gewerkschaftsbund oder sowas, also richtig schick fest drinnen sitzt im Geschäft.

IT: Wollen Sie noch ein Schlusswort sprechen?

CO: Nein. 


Das Gespräch zwischen Insa Trenn und Corinna Onnen fand am 13. Mai 2015 in Hannover statt.