"Materialitäten begreifen: Feministische Methodenansätze im Gespräch"

Prof. Dr. Bettina Wahrig (TU Braunschweig) / Prof. Dr.-Ing. Corinna Bath (TU Braunschweig / Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften) / Juliette Wedl (Braunschweiger Zentrum für Gender Studies)


Abstract

Eine Herausforderung auch feministischer Forschung ist die Frage, wie Materialitäten methodisch erfasst werden können. Wir beleuchten dabei drei Ansätze mit Blick auf die Potentiale ihrer gegenseitigen Verschränkung:

In der Diskursforschung verweisen insbesondere Studien zu Körper, Technik und Medialität, aber auch Institutionen und Handlungen auf die Notwendigkeit über das rein Sprachliche hinaus Materialisierungen methodisch zu erfassen. Konzeptionell kommen hier u.a. Vorstellungen von Einschreibung, Dispositiven, Ko-Konstruktionen und Vergegenständlichungen zum Tragen, wobei diese als immer auch diskursiv eingespannt begriffen werden. Es werden die methodischen Konzeptionierungen diesbezüglich in den Gender Studies skizziert.

Materielle Feminismen wurden in den letzten Jahren entwickelt, um Materialitäten mehr zum Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung zu machen, ohne dabei jedoch in einen naiven Realismus zurückzufallen. Sie berufen sich stark auf philosophische Ansätze, vor allem aber auf die internationalen Science and Technology-Studies, die historische wie aktuelle wissenschaftlich-technische Entwicklungen aus sozial- und geisteswissenschaftlichen Perspektiven untersuchen. Dabei stehen gerade feministische Vertreter_innen (z.B. Haraway, Barad) für eine Überwindung von Dualismen (z.B. Diskurs-Materie, Subjekt-Objekt, Wissen-Sein) und eine verantwortungsvolle Intervention in Wissensproduktion und Gestaltung der materialen Welt ein.

Auch die Actor-Network-Theory begreift Materialität nicht als etwas dem Denken Entgegengesetztes, sondern einerseits als Voraussetzung der Bildung von "Ensembles" (Latour), andererseits als deren Effekt, da sie sich nur in diesen manifestiert. Begriffsbildungen wie "Subjekt/Objekt-Hybride" wischen klassische Ontologien des Subjekts scheinbar vom Tisch. Die Untersuchungsansätze der ANT sind jedoch nur dann nicht gender-blind, wenn entsprechende Voraussetzungen über die in die Materien eingeschriebenen Macht- und damit Geschlechterverhältnisse gemacht werden. Kann eine perspektivistische Methodik Machtkritik und Materialismus unter einen Hut bringen?

Im Vortrag möchten wir diese drei Linien miteinander ins Gespräch bringen, diskutieren, inwiefern die Ansätze gegenseitig sinnvolle Erweiterungen darstellen, und Forschungsoptionen ausloten.